Vergangene Woche habe ich Was wir nicht kommen sahen von Katharina Seck gelesen und bin immer noch tief beeindruckt. Die Geschichte um Ada, ihre Eltern Jenny und Dominik und die Folgen von Cybermobbing entfaltet sich in einer emotional dichten und erschütternden Erzählung, die einen kaum loslässt. Dieses Buch lässt uns aus mehreren Perspektiven in das Drama um Adas Tod eintauchen und schafft es, das schmerzhafte Thema Mobbing und Online-Hass auf intensive Weise darzustellen. Die Geschichte ist zugleich bedrückend und bewegend, aber trotzdem wunderschön. Warum ihr sie unbedingt lesen solltet, erzähle ich euch in diesem Beitrag.
Sie ist müde, ihr Kopf voller zäher Gedanken.
Was wir nicht kommen sahen, S. 9.
Wie Kaugummi fühlt sich alles an, klebrig und matschig.
Sie kann sich nicht konzentrieren.
Worum geht es?
An einem ganz normalen Abend verabschiedet sich die 18-jährige Ada von ihrer Familie und beendet ihr Leben durch den Sprung von einer Brücke. Ihre Eltern Jenny und Dominik bleiben fassungslos zurück. Während Dominik sich vor seiner Trauer in Arbeit flüchtet, beginnt Jenny verzweifelt nach Antworten auf die Frage nach dem Warum zu suchen. Im Internet stößt sie auf eine Spur aus digitaler Gewalt, die sich gegen Ada richtete und der auch Jenny bald nicht mehr entrinnen kann. (Klappentext)
Rezension
Die Geschichte wird aus drei POVs erzählt. Ada ist das Opfer dieser Geschichte, und durch ihre Rückblicke wird man beim Lesen in die Spirale ihres Leids gezogen. Man erlebt mit, wie die ersten Anfeindungen sie treffen und verfolgt ihren Weg bis zu ihrer letzten Entscheidung. Die Passagen aus Adas Perspektive lassen einen beinahe physisch spüren, wie Angst und Schmerz in ihr wachsen. Das Thema Cybermobbing und seine verheerenden Folgen werden so ergreifend dargestellt, dass ich das Buch mehrmals zur Seite legen musste, um “durchzuatmen”. In Jennys POV (Adas Mutter) erlebt man dagegen die Verzweiflung und die aufwühlende Suche nach den Täter*innen, weil Jenny nicht fassen kann, was ihrer Tochter angetan wurde. Sie gibt alles, um die Wahrheit ans Licht zu bringen, und durch ihre Augen spürt man Wut, Hilflosigkeit und tiefe Trauer. Die Dynamik zwischen den beiden Elternteilen – Jennys unerschütterlicher Wille zur Aufklärung und Dominiks stille Verzweiflung – zeigt, wie unterschiedlich Menschen mit Verlust umgehen.
Eine zusätzliche und sehr beklemmende Perspektive kommt durch die Anonymität: Hier kommen Menschen zu Wort, die das Mobbing durch ihre Taten oder ihr Schweigen möglich gemacht haben. Diese Kapitel stecken voller toxischer Denkmuster, Misogynie, Rassismus und Hass. Das Lesen dieser Passagen ist hart, da sie das Schlimmste zeigen, was das Internet aus Menschen hervorholen kann.
Die Stärke dieses Romans liegt nicht nur in seiner Thematik, sondern definitiv auch in der Sprache von Katharina Seck. Ich habe einige Stellen markiert, weil sie so eindrücklich die Problematik in unserer Gesellschaft aufzeigen und zum Nachdenken anregen. Auch wenn man von Beginn an das tragische Ende kennt, ist das Buch ein regelrechter Pageturner. Man fiebert mit und hat zugleich Angst vor dem “point of no return”. In Bezug auf den Handlungsaufbau absolut genial!
Es fühlt sich so surreal an, wie egal der Zeit alles ist. Es können die schlimmsten Katastrophen passieren […], aber die Zeit ist hart im Nehmen. Die geht stoisch geradeaus, ohne sich davon beeindrucken zu lassen.
Was wir nicht kommen sahen, S. 255.
Mein Fazit
Was wir nicht kommen sahen ist nicht nur ein Buch, sondern ein eindringliches Plädoyer für mehr Mitgefühl und Achtsamkeit in einer digitalen Welt, in der Worte oft als Waffen genutzt werden. Ein tiefberührendes, wichtiges Werk, das mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Von meiner Seite gibt es eine absolute Leseempfehlung!
Daher bewerte ich “Was wir nicht kommen sahen” mit
Eckdaten auf einen Blick
Titel: Was wir nicht kommen sahen
Autor*in: Katharina Seck
Hier in Deutschland erschienen: Oktober 2024
Genre: Belletristik
ISBN: 978-3-7577-0069-0
Seitenzahl der Printausgabe: 368 Seiten
Preis: 22€ als gebundene Ausgabe (z.B. bei Thalia*)
*sponsored post ~ Dieser Post ist in Kooperation mit dem Bastei Luebbe Verlag entstanden. Das Buch wurde mir kostenlos für die Rezension zur Verfügung gestellt. Die Fotos sind selbst gemacht und ich gebe meine eigene Meinung wieder. Mehr dazu findet ihr in meinem Kooperationsstatement.
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