Belletristik & Historisches Rezensionen

Die Sammlerin der verlorenen Wörter

Die Sammlerin der verlorenen Wörter

Auf die Geschichte von Esme bin ich vor allem aufgrund der Aufmachung des Buches aufmerksam geworden. Aber auch die Kombination aus Liebe zu Literatur und dem Einsatz für Frauenwahlrecht klang spannend, sodass ich mich sehr gefreut habe, als das Buch mich erreicht hat. Jetzt in meinem Sommerurlaub habe ich auch endlich die Zeit gefunden, um vollständig in die Geschichte einzutauchen. Wie mir der Roman “die Sammlerin der verlorenen Wörter” gefallen hat, erzähle ich euch in diesem Beitrag.

Wörter definieren uns, sie erklären uns, und manchmal dienen sie auch dazu,
uns zu kontrollieren oder zu isolieren.

Die Sammlerin der verlorenen Wörter, S. 505.

Worum geht es?

1886. Esme wird allein von ihrem Vater aufgezogen. Dieser arbeitet als Lexikograph für das erste Oxford English Dictionary, das gerade erst entsteht. Dazu sammeln mehrere Lexikographen und Assistenten im Skriptorium – kurz Skrippy – alle Begriffe, die ihrer Meinung nach etabliert genug sind, um im Lexikon einziehen zu dürfen. Esme bekommt diese Entwicklung hautnah mit, da sie praktisch im Skrippy aufwächst. Nach und nach wird sie älter und bemerkt, dass einige Wörter, die von niedrigeren Gesellschaftsschichten oder von Frauen genutzt werden, nicht ins Oxford Dictionary kommen, da sie nicht etabliert genug sind. Kurzentschlossen beginnt Esme selbst, diese “unpassenden” Begriffe zu sammeln und trifft dabei auf Menschen, die ihr noch mehr Ungerechtigkeiten aufzeigen, gegen die es sich zu kämpfen lohnt…

Rezension

Die Geschichte wird aus Esmes Perspektive erzählt, immer wieder unterbrochen von Briefen, die an Esme oder ihren Vater gerichtet werden. Esme ist eine neugierige und wissenshungrige Protagonistin, die sich im Laufe des Romans – mit ihrem Älterwerden – entwickelt. Vor allem die Kapitel zu ihrer Kindheit sind daher ganz anders gestaltet als die als Erwachsene. Neben Esme gibt es noch weitere Protagonistinnen, die eine Rolle spielen, unter anderem die Bedienstete Lizzie und Ditte, eine entfernte Verwandte. Alle sind sehr detailliert gezeichnet und wirken authentisch. Die vielen Männer, die am English Dictionary arbeiten, bleiben dagegen eher blass und sind fast schon austauschbar.

Die Handlung beginnt, als Esme vier Jahre alt ist, und begleitet die Entstehung des Oxford English Dictionary von 1886 bis 1989, also sogar über Esmes Lebenszeit hinaus. Dabei sind leider vor allem die ersten 150 Seiten, während Esme noch ein Kind ist, eher zäh und ich habe gebraucht, um mit der Geschichte warm zu werden. Esme als junge Erwachsene ist dagegen viel leichter zu begleiten, vor allem, als dann auch das Thema Frauen(wahl)rechte zur Sprache kommt und sie bemerkt, was alles in der Gesellschaft verbesserungswürdig ist. Vieles wird hier allerdings nur zwischen den Zeilen angesprochen und nicht deutlich formuliert, was jedoch zu Zeit und Kontext passt. Im letzten Drittel spielt dann auch der Erste Weltkrieg eine entscheidende Rolle. Vor allem dieser Abschnitt ist ebenso bedrückend wie emotional, darauf muss man sich definitiv einlassen. Das Ende schafft dann aber einen gelungenen Bogen, auch in Bezug auf die Entwicklung des Dictionary.

Sprachlich habe ich etwas gebraucht, um den Ausführungen von Pip Williams folgen zu können. Dann jedoch habe ich an den leisten Worten und der Erzähldistanz gefallen gefunden. Vor allem in Kombination mit den Briefen und den Lexikoneinträgen wird eine gelungene Collage geschaffen, die beim Lesen definitiv fesselt. Die Aufmachung des Buches ist ebenfalls sehr gelungen, das Cover entspricht dem Original und vor allem die Gestaltung in Bezug auf Material ist wunderschön.

Die Sammlerin der verlorenen Wörter

Damals war das Skriptorium meine Höhle gewesen. […]
Ich gehörte ins Skriptorium; war freiwillig seine Gefangene.

Die Sammlerin der verlorenen Wörter, S. 453.

Mein Fazit

Insgesamt ist Esmes Geschichte über ihr Leben als die Sammlerin der verlorenen Wörter eine Geschichte, die mir im Gedächtnis bleiben wird. Es gibt ein paar Längen und an den Schreibstil und vor allem die erzählerische Distanz muss man sich gewöhnen, dafür gibt es einen spannenden Einblick in die Gesellschaft des späten 19. und 20. Jahrhunderts in England und die Entwicklung der Frauenrechte im Land. Definitiv eine Leseempfehlung!

Daher bewerte ich “Die Sammlerin der verlorenen Wörter” mit

Eckdaten auf einen Blick

Titel: Die Sammlerin der verlorenen Wörter
Autor:in: Pip Williams
Hier in Deutschland erschienen: April 2022
Genre: Historischer Roman, Belletristik
ISBN: 978-3-453-29263-5
Seitenzahl der Printausgabe: 528 Seiten
Preis: 22€ als gebundene Ausgabe (z.B. bei Thalia*)

*sponsored post ~ Dieser Post ist in Kooperation mit dem Diana Verlag entstanden. Das Buch wurde mir kostenlos für die Rezension zur Verfügung gestellt. Die Fotos sind selbst gemacht und ich gebe meine eigene Meinung wieder. Mehr dazu findet ihr in meinem Kooperationsstatement.

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